Genetik und Zucht
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Erbkrankheiten, allgemein, überspringende Erbkrankheiten Erbkrankheiten, Heredopathien, Krankheiten, die durch bestimmte Erbanlagen ( also genetisch; Gen, Allel ) bedingt sind und nach den Vererbungsregeln ( Vererbung, Mendelsche Regeln ) an die Nachkommen ( Nachkommenschaft ) weitervererbt werden können. Sie können latent ( d.h. verborgen ) bleiben ( erbliche Belastung; Bürde ) oder manifest ( sichtbar ) werden. Vergleichbare Schädigungen bei Haustieren oder Kulturpflanzen werden als Erbfehler bezeichnet. Erbkrankheiten können durch eine oder mehrere verschiedenartige Mutationen ( Genmutationen, Chromosomanomalien ) bei oder nach der Bildung der Keimzellen entstehen. Nicht jede krankhafte Veränderung des Erbguts muß beim Betroffenen oder seinen Nachkommen phänotypisch ( Phänotyp ) in Erscheinung treten. Rezessive Erbdefekte werden erst offenbar, wenn sie von beiden Eltern übertragen werden. Sie können daher in heterozygoter Form ( Heterozygotie ) oft mehrere Generationen latent ( verborgen ) bleiben, bevor sie sich klinisch manifestieren. Beispiele sind die erbliche Taubstummheit, die erbliche Epilepsie, Albinismus, Alkaptonurie und Phenylketonurie. Dominate Erbdefekte ( Dominanz ) führen bei den Betroffenen immer zu Erkrankungen und werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an die Nachkommen weitergegeben ( z. B. Kurzsichtigkeit ( Brechungsfehler ), Schielen, Veitstanz ( Chorea Hunting; Chorea )). Erkrankungen, die durch eine Veränderung auf einem Geschlechtschromosomen-gebundenen Vererbung an die Nachkommen weitergegeben: So werden z. B. Farbenfehlsichtigkeit, Muskeldystrophie ( Myopathie ) oder die Bluterkrankheit ( Abb. ) durch ein rezessives Defektallel auf einem X - Chromsom verursacht ( Bluter- Gen ). Bei Frauen, die diese Allele heterozygot tragen, manifestieren sich diese Krankheiten nicht, da auf dem zweiten X - Chromosom ein nicht mutiertes Allel vorliegt, das den defekt kompensiert ( Komplementation; Barr-Körperchen, Lyon-Hypothese, X-Inaktivierung ); allerdings sind sie Überträgerinnen, so dass ihre Söhne mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % von der jeweiligen Krankheit betroffen sind. Oft wird nur die Neigung zu bestimmten Krankheiten vererbt, die dann unter der Wirkung häufig noch wenig verstandener äußerer Einflüsse zu Erkrankungen führt ( z. B. die mit dem Alter zunehmende Neigung zum Diabetes mellitus ). Die Diabetes-Erforschung von Erbkrankheiten ist ein wichtiger Zweig der Humangenetik. In den letzten Jahren rückt die Gentherapie zunehmend als Therapiemöglichkeit verschiedener Erbkrankheiten in den Vordergrund, wobei die tatsächlichen Heilungschancen noch sehr vorsichtig beurteilt werden müssen. Amnicocentese, Chorionzottenbiopsie, Chromosomenkarte ( Farbtafel ), Erbdiagnose, Eugenik, Fehlbildungen, genetische Beratung, genetische Impfung, genetischer Block, Gentechnologie, pränatale Diagnose, RFLP, Strahlenschäden.
G.St./B.G.
Genetische Krankheiten
Düsseldorf (RPO). Die lapidare Aussage "ganz die Oma" ist zutreffender,
als man zunächst annimmt. Der Lebensstil der Oma und ihr Erbgut prägen
auch die Enkel. So werde Diabetes über die mütterliche Linie viel leichter
weitergegeben als über die väterliche, wie Geburtsmediziner Andreas
Plagemann von der Berliner Charité erklärt.
Die Kinder einer Frau mit unerkanntem Diabetes tragen
im Schnitt ein doppelt bis dreimal so hohes Risiko für die
Stoffwechselstörung. Das setzt sich über die Generationen fort: Wenn Oma
zuckerkrank ist, ist die Erkrankungsgefahr für die Enkel mütterlicherseits
besonders groß.
Ein ähnliches Ungleichgewicht zwischen mütterlicher und
väterlicher Linie ist auch beim Übergewicht zu beobachten. Eine
übergewichtige Frau bringt eher Kinder zur Welt, die ebenfalls dazu
neigen, zu viele Pfunde anzusetzen. Auch die Kindeskinder müssen mehr als
üblich auf die Linie achten - und auch mehr als Enkel beleibter Großväter.
"Es ist klar, dass bestimmte Eigenschaften über die
mütterliche Linie auffällig häufig auf die nächste Generation übergehen",
sagt Jörn Walter, Epigenetiker an der Universität des Saarlandes in
Saarbrücken. Eine Dominanz des weiblichen Einflusses deckte auch eine
norwegische Studie auf, in der Forscher 600 000 Frauen untersuchten, bei
denen während der Schwangerschaft Bluthochdruck auftrat. Diese sogenannte
Präeklampsie tritt doppelt so häufig bei Töchtern von betroffenen Müttern
auf. Die Söhne einer solchen Mutter tragen hingegen deutlich seltener zu
einer Schwangerschaft mit Präeklampsie bei.
Warum der weibliche Beitrag manchmal größer ist als der
männliche, erforschen Wissenschaftler derzeit sehr intensiv. Mehrere
Vorgänge bei der Entstehung und Entwicklung neuen Lebens, in denen die
Frau eine prägende Rolle spielt, sind bereits bekannt. "Die befruchteten
Eizellen sind voll mit Komponenten, die alleine von der Mutter kommen. Die
Zellkraftwerke, die Mitochondrien, stammen nur von ihr und die
Zellflüssigkeit ebenfalls", sagt Walter. Sowohl die Mitochondrien als auch
die Zellflüssigkeit sind Schlüsselfaktoren bei der Entwicklung des frühen
Embryos. Wie sich das auf das spätere Leben genau auswirkt, ist bislang
allerdings nicht geklärt.
Während der Schwangerschaft befindet sich das
heranwachsende Kind zudem vollständig in der mütterlichen Umgebung. Es
wird von ihr mit Nährstoffen versorgt und steht in Kontakt mit ihrem
Gewebe. "Ihr Stoffwechsel programmiert dabei auch den des Ungeborenen",
ist Mediziner Plagemann überzeugt. Eine Schwangere, die beispielsweise zu
viel isst, setzt auch ihr Baby einem zu großen Nahrungsangebot aus. Das
Kind entwickelt einen ähnlich ausgeprägten Appetit wie die Mama. Es kommt
heißhungrig zur Welt. Diese fetale Programmierung erklärt laut Plagemann,
weshalb Diabetes und Übergewicht vorrangig über die mütterliche Linie
weitergegeben werden.
Eine einzige Körperzelle enthält alle Gesetze des Lebens - manchmal samt
Druckfehlern. Sind von der Infektanfälligkeit bis zum Krebs alle Leiden in
unseren Genen festgelegt? Für etwa 1000 bekannte Erbkrankheiten haben
Molekularbiologen diesen Nachweis schon gefunden.
Angeboren oder erworben
Bei angeborenen Erkrankungen unterscheiden die Biologen zwischen geerbten
und erst im ungeborenen Lebewesen spontan entstandenen Fehlern in der
Erbmasse. Beide betreffen den ganzen Menschen und können daher an
zukünftige Generationen weitergegeben werden. Viele genetische Krankheiten
kommen nicht durch einen einzigen genetischen Fehler zum Ausbruch. Oft
löst eine ganze Reihe genetischer Veränderungen gemeinsam mit
Umweltfaktoren das Krankheitsbild aus. Die Spuren dieser Veränderungen
finden sich im Bauplan des Lebens, der DNA. Jede unserer Körperzellen ist
wie ein winziger Computerchip, auf dem unser gesamter genetischer Bauplan,
das so genannte Genom, gespeichert ist. Das Alphabet für diesen Bauplan
liefert die DNA. DNA ist die internationale Abkürzung für
Desoxyribonucleinsäure, jenes Alphabet aus 4 Buchstaben, das in seiner
vielfältigen Zusammensetzung mit schier endlos vielen Möglichkeiten die
Vielfalt des Lebens schafft. Das raffinierte Baukastenprinzip der DNA
formt zwei sich umeinander windende Spiralen, die einander seitengleich
ergänzen wie Schlüssel und Schloss. Beide Stränge dieser sogenannten
Doppelhelix sind völlig ident aufgebaut, sodass bei jeder Teilung ein
absolut übereinstimmendes Spiegelbild entsteht — vorausgesetzt, es
schleicht sich kein Irrtum ein. Wir alle erben hunderte von
Genveränderungen von unseren Eltern, so wie sie von ihren Vorfahren ihr
genetisches Erbe übernommen haben. Zusätzlich machen unsere Gene im Laufe
unseres Lebens viele Veränderungen — so genannte Mutationen — durch. Je
genauer die Forscher unsere Gene entziffern können, umso mehr Kopierfehler
entdecken sie in der DNA. Stückchen der DNA können gelöscht, eingefügt,
gebrochen oder falsch ersetzt werden. Manchmal verhilft die Natur solchen
"genialen Druckfehlern" sogar zum Durchbruch, wenn sie sich für den
Fortbestand des Lebewesens als günstig erweisen. Und schließlich waren
Mutationen zu allen Zeiten der Evolution der Grund für die
Anpassungsfähigkeit der Lebewesen. Für die Weitergabe der genetischen
Information von einer Zelle zur anderen sind Schlüsselenzyme
verantwortlich. Sie sind ungeheuer leistungsfähig — und machen trotzdem
Fehler. Zwar verfügt der Körper über Kontroll- und Korrekturmechanismen,
die diese Fehler ausmerzen. Wenn dieser Schutz aber versagt, ein
Tippfehler übersehen wird, dann kann dies katastrophale Folgen haben. Ein
solcher Lesefehler, bedingt durch Irrtümer während des Kopiervorgangs oder
— noch häufiger— durch Umweltschäden, kann in der Körperzelle zum Tumor
führen. Wenn eine Samenzelle beteiligt ist, kann ein krankes Kind
entstehen. Manchmal genügt schon eine Veränderung in einem einzigen Gen
als Krankmacher — das nennen die Genforscher eine monogenetische
Erbkrankheit. Bei polygenetischen Krankheiten müssen mehrere ungünstige
Faktoren, z.B. auch Umwelteinflüsse, dazu kommen.
Dominant oder rezessiv Von jedem Merkmal erbt der Mensch zwei genetische
Anlagen — eine von der Mutter, eine vom Vater. Dominant bedeutet, dass
schon durch ein einziges fehlerhaftes Erbteil — entweder von Mutter oder
Vater — die Krankheit zur Ausprägung kommt. Das ist vergleichbar mit einem
Auto, das schon durch einen einzigen defekten Reifen nicht mehr lenkbar
ist. Bei einer dominanten Erbkrankheit besteht also eine 50%ige
Wahrscheinlichkeit, dass das Kind erkrankt. Eine der bekanntesten dominant
vererbbaren Krankheiten ist die Chorea Huntington, der Veitstanz. Der Begriff rezessiv steht für Erbkrankheiten, bei
denen zwei zufällig fehlerhaft übereinstimmende Erbmerkmale die Krankheit
bedingen. Das Krankheitsbild zeigt sich hier also nur in Patienten, die
das defekte Gen von beiden Eltern geerbt haben. Das Risiko, eine rezessive
Erbkrankheit in die Wiege gelegt zu bekommen, steht für die nachfolgende
Generation eins zu vier: Beide Eltern sind zwar Träger eines defektes
Gens, sind aber selber geschützt durch das Vorhandensein eines gesunden
Gens. Es erfüllt seine Aufgabe, so wie die Triebwerke eines mehrstrahligen
Düsenflugzeugs genug Schub entwickeln, um selbst bei Triebwerksausfall die
Maschine sicher zu fliegen. Jedes Kind dieser Eltern hat eine 50%ige
Chance, wie die Eltern nur Träger zu sein, ohne Krankheitszeichen zu
entwickeln, und ein statistisches 25%iges Risiko, zu erkranken. Nämlich
dann, wenn der Betroffene jeweils das gleiche defekte Gen von beiden
Elternteilen erbt und daher über keine normal funktionierende Version des
betreffenden Gens verfügt. Genau so gut kann das Kind zufällig beide
gesunden Gene erben — und damit völlig gesund und nicht einmal Träger
sein. D.h. wenn beide Eltern Genträger für eine rezessive Erbkrankheit
sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind erkrankt, 25 %. Mutationen können sich gegenseitig aufheben Eine der bekanntesten rezessiven Erbkrankheiten
ist die Zystische Fibrose – für die Genforscher ein besonderes schwer zu
entwirrendes Genrätsel. Sie kennen etwa 600 Genveränderungen, von denen
jede einzelne Zystische Fibrose auslösen kann. Die Zystische Fibrose
bewirkt eine Überproduktion von zähem Schleim in allen Sekret bildenden
Drüsen, der besonders häufig die Atemwege, aber z.B. auch Leber und
Bauchspeicheldrüse behindert und eine schwere Beeinträchtigung der
Entwicklung bedingt. Wenn Menschen trotz fehlerhafter Übereinstimmung der
ererbten elterlichen Gene nicht oder weniger schwer an Zystischer Fibrose
erkranken, liegt es daran, dass der Fehler durch eine weitere Veränderung
moduliert wurde. Die Ursache dafür stellt eine zweite Veränderung dar, die
die krankmachende Mutation unwirksam oder weniger wirksam macht. Platzwechsel Jedes Gen hat in seiner Anordnung auf dem
Chromosom einen bestimmten Platz. Wenn das Gen aus irgendwelchen Gründen
den Platz wechselt, z.B. von einem Chromosom auf ein anderes, hat dies
meist schwere Auswirkungen. Diese so genannte Translokation ist häufig für
eine Tumorentstehung verantwortlich. Warum die eine Erbkrankheit zwei
Fehlerquellen zum Durchbruch braucht, für eine andere nur ein einziger
genetischer "Patzer" genügt – dafür haben die Forscher eine ebenso
einfache wie genaue Erklärung. Es scheint, dass diese zwei Kategorien –
dominant und rezessiv – den zwei fundamentalen Eiweißarten entsprechen.
Enzymatische Eiweiße werden zum Aufbau der Enzyme gebraucht, eben jener
Schlüsselsubstanzen, die ähnlich Katalysatoren viele der biochemischen
Abläufe im Organismus steuern. Täglich braucht der Körper eine
Milliardenration solcher Eiweißbausteine zur rechten Zeit am rechten Ort,
um zu leben und zu funktionieren. Rezessive Erbkrankheiten scheinen aus
genetischen Fehlern in diesen Schlüsselbausteinen zu stammen. Wenn der
Gendefekt strukturelle Eiweißarten betrifft - wie z.B. Collagen, eine
Schlüsselkomponente für Bindegewebe und Knochen – genügt normalerweise nur
eine einzige Fehlkopie zur Ausprägung der Krankheit – sie ist dominant. Kranke Buben - gesunde Mädchen An den so genannten X-chromosomalen Erbleiden erkranken nur männliche Nachkommen. Mädchen bzw. Frauen sind Überträgerinnen der Geninformation - mit einer 50%igen Chance, ihr gesundes X-Chromosom an einen Sohn weiterzugeben, und einer ebenso 50%igen Wahrscheinlichkeit, ihm das defekte X-Chromosom zu vererben. Eine der bekanntesten derartigen Gendefekte ist die Bluterkrankheit, die Hämophilie. Auch die Rot-Grün-Farbenblindheit betrifft nur männliche Nachkommen, ebenso die Duchenn’sche Muskeldystrophie, eine Form von Muskelschwund. Umweltfaktoren spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die Hämophilie zählt übrigens zu jenen Erbkrankheiten, die sehr häufig auch spontan entstehen. Bei etwa einem Drittel aller Hämophilen ist ihre Krankheit auf einen spontanen Gendefekt zurückzuführen. Dabei passiert in einer Eizelle oder in einer der vielen Millionen Samenzellen ein Programmfehler. Wenn ausgerechnet diese Eizelle oder diese Spermie zur Befruchtung kommt, dann hat der daraus entstehende Mensch plötzlich eine vererbbare Krankheit, obwohl beide Eltern völlig gesunde Gene hatten. Eine weitere Spielvariante in der Genetik ist das
so genannte Imprinting. Normalerweise werden die ererbten
Gene abwechselnd genutzt, sodass im Organismus Eiweißbausteine sowohl
mütterlicher als auch väterlicher genetischer Herkunft zirkulieren.
Offenbar trifft dieser parallele Einsatz der Erbinformation aber nicht für
alle Gene zu, so dass in bestimmten nur entweder das väterliche oder das
mütterliche Gen benutzt wird. Je nach Geschlecht der Nachkommen und je
nachdem, ob ein gesundes oder krankes Gen an die nächste Generation
weitergereicht wird, kann in einer Familie eine Erbkrankheit wieder
auftauchen, die zumindest seit mehreren Generationen unbekannt war. Das
Zufallsprinzip bei der Weitergabe entweder eines defekten oder gesunden
Gens entscheidet also auch darüber, ob eine Erbkrankheit eventuell eine
oder sogar mehrere Generationen überspringt, bevor die verhängnisvolle
Erbfolge fortgesetzt wird. Dies gilt auch für nicht geschlechtsspezifische
Erbkrankheiten. Nach heutigem Erkenntnisstand können auch weitere
vererbbare und auch umweltbedingte Faktoren an einem solchen
Generationssprung beteiligt sein. Einer noch genaueren Erklärung dafür
sind die Molekularbiologen noch auf der Spur. Und noch einen interessanten
Kontrollmechanismus haben die Molekularforscher bei manchen Patienten
entdeckt, die aufgrund einer bestimmten Genmutation eigentlich an einer
besonders schweren Form der Bluterkrankheit leiden müssten. Sie entdeckten
einen weiteren Genschaden, der eine übersteigerte Gerinnung bewirkt und zu
Thrombosen führt. Beim hämophilen Patienten wirkt dieser zusätzliche
Gendefekt ausgleichend und mildernd auf seine Blutungsneigung.
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