Vitamine
|
Hunde und Katzen vegan ernähren: vom Dilemma eines Trends
·
geschrieben von Sonja
Kubovcsik
Freigegeben
in Fachartikel
Adobe Foto
StockHunde und Katzen vegan ernähren: vom Dilemma eines Trends
Vegane Ernährung liegt im Trend. Kein Wunder, dass immer mehr Tierhalter
darüber nachdenken, auch ihren Hund oder ihre Katze auf rein pflanzlicher
Basis zu ernähren. Tierschutzgedanken, ethische und moralische Werte,
gesundheitliche Gründe sowie Klima- und Nachhaltigkeitsaspekte drängen
eine Umstellung auf veganes Futter geradezu auf. Die
Tierschutzorganisation Peta empfiehlt reine Pflanzenkost für Hunde und
Katzen gar ausdrücklich. Was aber bewirken wir, wenn wir unseren Hund oder
unsere Katze vegan ernähren? Wir haben ATN-Dozentin und Ökotrophologin Dr.
Jasmin MONTAG gefragt.
Frau Dr. Montag, abgesehen davon, dass unsere Haustiere kaum selbst
entscheiden dürfen, was sie in den Napf bekommen oder nicht: was ist in
Sachen Hunde- und Katzenernährung grundsätzlich wichtig, zu wissen?
Auch wenn sie Jahrtausende der Domestikation durchlaufen haben sind Hunde
und Katzen noch immer Fleischfresser, also Carnivoren, wobei der Hund eine
leichte Neigung zum Allesfresser (Omnivoren) besitzt, die Katze hingegen
gar nicht. Hundeartige wie Füchse oder Wölfe bereichern ihren Speisezettel
auch in freier Wildbahn mit Pflanzlichem, Früchten oder Beeren etwa.
Dennoch sind ihr Gebiss und Verdauungstrakt auf die Verdauung einer
überwiegend tierischen Kost ausgelegt. Daran hat für Hunde auch die
Domestikation nichts geändert. Das Hundegebiss ist noch immer optimiert
aufs Zupacken, Reißen und Zerkleinern, der pH-Wert des Magens liegt mit
unter 1 klar im sauren Bereich und ist damit deutlich saurer als der
pH-Wert eines Allesfresser-Magens.
Welche Funktion hat dieser geringe pH-Wert beim Carnivoren?
Der geringe pH-Wert hat zwei Funktionen: Er stellt die Zersetzung der
aufgenommenen Nahrung sicher und macht eventuell vorhandene
Mikroorganismen unschädlich. Die weitere Verdauung vollzieht sich dann im
Darm. Verdauungsenzyme entfalten dabei nur in einem sehr engen pH-Bereich
ihre optimale Wirkung. Abhängig ist der pH-Wert von der dem Tier
zugeführten Kost. Ein saurer pH-Wert wird v.a. von den schwefelhaltigen
Aminosäuren Cystin und Methionin aus tierischen Nahrungsmitteln bestimmt.
Pflanzliche Kost hingegen ist basisch und führt zu einem Anstieg des
pH-Wertes. Ändert sich der pH-Wert nur ein kleines bisschen, kann das Tier
seine Nahrung nicht mehr so gut verdauen, da Enzyme weniger wirksam sind.
Da pflanzliche Nahrung von Hunden und Katzen ohnehin eine geringere
Verdaulichkeit aufweist, ein zweifach negativer Effekt.
Können dadurch auch Erkrankungen hervorgerufen werden?
Ja. Ein höherer pH-Wert im Verdauungstrakt bedingt beispielsweise einen
Anstieg des pH-Wertes im Urin. Dadurch steigt das Risiko für Urolithasis,
also die Bildung bzw. das Vorkommen von sogenannten Konkrementen im Urin.
Harnsteine können entstehen. Der pH-Wert des Speichels steigt ebenfalls,
wodurch langfristig Zahnerkrankungen eine weitere Folge sein können.
Was passiert im Darm?
Bei Hunden und Katzen findet im Darm keine Fermentation pflanzlicher
Faserstoffe statt, weil ihnen die dafür zuständigen Darmabschnitte und die
entsprechende Darmflora fehlen. Bei Katzen ist der Darm daher nur etwa 3
Mal so lang wie der Körper, bei Hunden ist er 5 bis 7 Mal länger.
Pflanzenfresser und Allesfresser weisen wesentlich längere und zudem stark
spezialisierte Darmabschnitte auf. Auch daraus ist ersichtlich, dass der
Verdauungstrakt von Hunden und Katzen evolutionär nicht auf eine rein
pflanzliche Ernährung ausgelegt ist. Auch die Dickdarmbakterien, die in
Symbiose mit dem Wirtstier leben, sind an das Nahrungsangebot angepasst.
Wird Nahrung zugeführt, die dieser Anpassung entgegensteht, kommt es zu
einer Darmfehlbesiedelung. Verdauungsbeschwerden und Gasbildung können die
Folge sein. Mit ihrer omnivoren Neigung können Hunde veganes Futter zwar
eine Weile tolerieren. Katzen aber können das gar nicht.
Studien zeigen, dass Hunde, die 6 Monate lang vegan ernährt wurden, keine
Veränderungen in ihrem Gesundheitszustand aufwiesen. Sind denn 6 Monate
ausreichend, um die Auswirkungen veganer Ernährung auf ein Tier zu
untersuchen?
Keinesfalls. Auch wenn der evolutionäre Erfolg in seiner
Anpassungsfähigkeit besteht und sich gerade der Hund sehr gut anpassen
kann, ist ein evolutionärer Vorteil durch Anpassung an das Nahrungsangebot
nicht in einer so kurzen Fütterungsphase über den Gesundheitszustand und
die Blutwerte zu ermitteln. Die Auswirkungen veganer Ernährung zeigen sich
erst nach einem für uns Menschen bislang nicht absehbaren Zeitraum. Das
lehrt uns die Epigenetik. Sie hat uns gezeigt, dass sich Änderungen der
Ernährungsweise erst in der Enkelgeneration sprichwörtlich aus-wirken. Und
dass erst die Enkel- und weitere Folgegenerationen mögliche
nahrungs-mitbedingte Erkrankungen aufweisen.
Heißt das, wenn ich meinen Hund heute vegan ernähre, kann er selbst
absolut gesund bleiben, aber die Nachzucht könnte dann über mehrere
Generationen mit vermeintlich grundlos auftretenden Problemen belastet
sein?
Genau. Abgesehen von fehlenden Langzeitstudien gibt es bislang nur ganz
wenige Fütterungsstudien zur veganen Ernährung von Hunden und Katzen,
hinzu kommen nur vereinzelte Erfahrungsberichte. Studienzeiträume sollten
dabei sehr kritisch hinterfragt werden, denn es ist bekannt, dass viele
Vitamine im Körper durchaus einige Wochen bis Monate gespeichert werden
können. Sicher, in der Forschung ist das Geld knapp und Ergebnisse sollen
möglichst zügig auf dem Tisch liegen. Aber nach nur 6 Monaten muss sich
noch lange kein Mangel zeigen, wenn das untersuchte Tier vorher gesund und
vollumfänglich versorgt war. Auch in der von Ihnen zitierten Studie waren
die Hunde vor dem Untersuchungszeitraum vermutlich nicht vegan ernährt
worden. Hunde, die von der veganen Ernährung profitierten, können zuvor
konventionelles Futter minderer Qualität bekommen haben, der gute
Gesundheitszustand kann also durch die Umstellung auf ein grundsätzlich
hochwertigeres – wenn auch eben veganes – Futter zustande gekommen sein.
All das sind natürlich nur Vermutungen. Eine Empfehlung kann aus der
zitierten Studie dennoch nicht abgeleitet werden, ebenso wenig wie sie aus
einzelnen Erfahrungsberichten abgeleitet werden kann. Denn Ausnahmen gibt
es immer, denken wir nur an den kettenrauchenden Großvater, der 90 Jahre
alt wurde. Ernährung ist ein Faktor, der zwischen 30 und 70 Prozent des
individuellen Erkrankungsrisikos eines Menschen oder Tieres positiv oder
negativ beeinflussen kann.
Dr.
Jasmin Montag, Ökotrophologin und ATN-Dozentin
Sind mit veganer Ernährung noch weitere Risiken verbunden?
Neben den genannten physiologischen Folgen handelt es sich bei der veganen
Ernährung um keine natürliche, sondern hochverarbeitete Kost, die wenig
mit ursprünglichen Futtermitteln zu tun hat. Möchte man solch
hochverarbeitetes Futter nährstoffdeckend gestalten, müssen diverse
Zusätze und z.B. Protein-Isolate zugeführt werden. Man weiß aus
Humanstudien jedoch, dass der gesundheitliche Nutzen einer Kost nicht von
Einzelbestandteilen, sondern von der Komplexität der Nährstoffe und ihrem
Vorliegen im Nährstoffverband abhängt. Die in einem Futter enthaltenen
Nährstoffe können sich beispielsweise gegenseitig in der Verdauung
fördern. Schauen Sie sich eine Tomate an: Sie enthalt eine Vielzahl an
Stoffen, von denen Sie einige durchaus isoliert zu sich nehmen könnten,
Vitamin C zum Beispiel. Von einer Tomate haben Sie dennoch sehr viel mehr
als von einer Vitamin-Kapsel. Hinzu kommt, dass wir längst noch nicht alle
Stoffe kennen, die ein naturbelassenes Nahrungsmittel – wie etwa eine
Tomate oder eben auch Fleisch – enthält. Deshalb sollte Nahrung – ganz
gleich ob für Mensch oder Tier – stets so natürlich und ursprünglich wie
möglich sein.
Viele vegane Futtermittel enthalten ja Soja und Getreide als
Proteinlieferanten. Wirkt sich pflanzliches Protein anders auf den
Organismus eines Hundes oder einer Katze aus als tierisches?
Landwirtschaft ist heute auch in Sachen Getreideproduktion in der Regel
nicht sonderlich umweltbewusst oder gar nachhaltigkeitsorientiert. Vom
„ökologischen Rucksack“ des größten Teils der Sojaproduktion ganz zu
schweigen. Soja enthält aber auch viele anti-nutritive Bestandteile und
Phyto-Östrogene, also pflanzliche Hormone mit Östrogenwirkung, deren
Folgen im tierischen Körper bislang nicht untersucht wurden. Soja gilt
zudem als potenziell futtermittelallergie-auslösend. Außerdem weist
Hülsenfrucht- oder Leguminosen-Protein die sauren Aminosäuren Methionin
und Cystein nur unzureichend auf. Wie wir schon gesehen haben, verändert
das den pH-Wert in Speichel, Verdauungstrakt und Urin mit den
entsprechenden Folgen. Hinzu kommt, dass Hunde und Katzen Soja selbst dann
wesentlich schlechter verdauen können als tierisches Protein, wenn es
gekocht wurde.
Wenn etwas schlechter verdaut wird, muss man mehr davon essen, um seinen
Bedarf zu decken, nicht?
Ja. Eine geringe biologische Wertigkeit führt dazu, dass mehr Protein
aufgenommen werden muss. Das belastet wiederum u.a. die Nieren des Tieres.
Oft wird die biologische Wertigkeit mit Getreide und Pseudogetreiden, die
durch den Kochprozess verdaulicher gemacht werden, erhöht. Aber auch
Getreide beeinflusst z.B. den pH-Wert und hat Auswirkungen auf den
Stoffwechsel, weil die Carni- und Omnicarnivoren Kohlenhydrate schlechter
verdauen können. Die Folgen der bekannten minderwertigen getreidereichen
Tierfutter der vergangenen Jahre z.B. für den Insulinspiegel und das
daraus resultierende Risiko für Diabetes Mellitus sind bekannt. Auch hier
fehlen allerdings Langzeitstudien.
Was ist mit den Vitaminen?
Viele Vitamine werden bei veganem Tierfutter durch Nahrungszusätze
zugeführt. Gerade in Bezug auf Vitamin B12 gibt es aber ein Problem: B12
ist vor allem in tierischen Nahrungsmitteln enthalten. Um es ins Hunde-
oder Katzenfutter zu bringen, setzt man häufig Futterhefen ein. Diese
Bierhefen, die meist aus dem Brauereigewerbe stammen, enthalten aber kaum
B12, sondern vielmehr B1, das im Getreide reichlich vorhanden ist – ein
Paradox. Auch kommen Mineralstoffe wie Eisen oder Zink im pflanzlichen
Verband anders gebunden vor als im tierischen. Die Bioverfügbarkeit ist
auch hier wieder geringer.
Ernährungswissenschaftlich spricht also etliches eher gegen veganes Futter
für Hunde und Katzen.
Ja. Ich kann aber die Zwickmühle verstehen, in der sich viele Tierbesitzer
befinden – es ist nachvollziehbar, dass man als einzelner Mensch seinen
Beitrag leisten möchte für Umwelt, Klima- und Tierschutz und dass der eine
oder andere auch eine starke moralische Verpflichtung empfinden mag,
hinsichtlich dessen, was er mit seinem Handeln und Verhalten in dieser
Welt bewirkt. Wir haben aber niemals nur eine Verantwortlichkeit, sondern
immer mehrere – einschließlich der für das Tier, von dem wir entschieden
haben, dass es mit uns leben soll, mit allen Abhängigkeiten, die sich
dadurch für das Tier ergeben. Vor diesem Hintergrund kann die
Entscheidung, vegan zu leben, in letzter Konsequenz auch bedeuten, auf die
Haltung eines Hundes oder einer Katze ganz zu verzichten. Und für das
Tier, das man aktuell besitzt, Abstriche vom Anspruch an eine konsequent
vegane Lebensweise zu machen.
Könnte eine vegetarische Ernährung von Hund und Katze das Dilemma
überbrücken?
Für den einen oder anderen vielleicht. Wenn es sich um eine ovo-lactoreiche
Tierernährung handelt, kann eine solche durchaus gut verdaulich und
bedarfsdeckend sein. Eier und tierische Fette sind sehr gute Quellen
hochwertigen tierischen Proteins und weiteren Nährstoffen. Tatsächlich
benötigen Hunde und Katzen auch pflanzliche Kost – aber eben nicht
ausschließlich. Bei Katzen beträgt der Anteil zwischen 5 und 10 Prozent,
bei Hunden zwischen 25 und 30 Prozent.
Was tun, wenn ein Hund allergisch auf tierisches Eiweiß reagiert?
Bei Futtermittelallergien, die sich auf tierisches Eiweiß beziehen, kann
eine vegane Ernährung tatsächlich die letzte Möglichkeit darstellen – wenn
alle anderen Möglichkeiten ausgelotet und ausgeschöpft sind. Sie stehen
dann vor einem Abwägen von gesundheitlichen Prioritäten. Seien Sie dennoch
vorsichtig bei der Fütterung von Soja, Weizen und Nüssen. Diese weisen für
sich genommen ebenfalls ein gewisses Allergiepotenzial auf. Auch sollte
die Verdaulichkeit pflanzlicher Kost durch den Koch- bzw. Dünstungsprozess
erhöht werden.
Und wie sieht die Sache bei Katzen aus?
Reagiert eine Katze allergisch auf tierisches Eiweiß, ist eine vegane
Ernährung keine Option. Die Auswirkungen veganer Kost auf den Stoffwechsel
der Katze sind noch weniger untersucht als bei Hunden. Pflanzliche Nahrung
wird von den Stubentigern kaum richtig verdaut. Zudem ist die Katze
beispielsweise auf die Zufuhr von Taurin und Arachidonsäure angewiesen.
Diese Stoffe sind ausschließlich in tierischen Nahrungsmitteln enthalten.
Um nochmal auf den Fall eines notgedrungenerweise vegan zu ernährenden
Hundes zu kommen: auf welche Futterzusätze müsste man achten?
Alle Proteine müssten im Sinne einer hohen biologischen Wertigkeit
kombiniert werden, z.B. Hülsenfrüchte und Getreide wie etwa Mais.
Mineralstoffpräparate müssen hochwertig und organischen Ursprungs sein und
im richtigen Verhältnis zueinander gegeben werden. Algen empfehlen sich
zur Versorgung des Hundes mit Omega-3-Fettsäuren. Wichtig ist außerdem
eine ausreichende Zufuhr von Vitaminen des B-Komplexes, vor allem B6 und
B12, von Calcium, Zink, Eisen und schwefelhaltigen Aminosäuren.
Regelmäßige Blutanalysen ein- bis zweimal im Jahr sind dabei sehr ratsam.
Vielen Dank für das Interview
|