Skizzen des General George
 de Meyer

"Bemerkungen zur Barsoi-Prämierung in Kassel, 25.-26. Oktober 1913" von General George de Meyer aus Kieff, 12. Februar 1914

Als ich im Auftrag des Herrn Dr. A. Wegener das Preisrichteramt über Barsois ( russische Windhunde ) auf der Ausstellung in Kassel übernahm, war ich im höchsten Grade gespannt, wie sich der Typus und das Exterieur unserer russischen, in Deutschland gezüchteten Barsois fortgepflanzt und unsere schöne Rasse in Pflege der deutschen Liebhaber sich entwickelt hat, kennenzulernen.

Von den 30 ausgestellten russischen Barsois waren nur 2, "Asmodej" und "Ptitschka", in Rußland geboren; alle anderen waren in Deutschland geboren. Die Expertise nahm ich in der Weise, wie sie bei uns in Rußland üblich ist, vor: ich ließ mir jeden Hund einzeln vorführen und stellte Points für folgende Merkmale: Vorderfüße, Hinterfüße, Brustkorb, Rücken, Kopf, Ohren, Augen, Rute und allgemeines Aussehen.

Durch diese Art von Expertise lernt der Barsoibesitzer die Mängel und guten Eigenschaften seines Hundes genau kennen, da dieselben vom Preisrichter detailliert mit Points bewertet sind.

Wenn es den Anschein erweckt haben sollte, daß ich in meiner Expertise zu streng war, so bitte ich, mir Glauben zu schenken, daß es mir fern gelegen war, den russischen, im Ausland geborenen Barsoi zu kritisieren, sondern daß ich nur auf die Merkmale hinweisen wollte, die unser russischer Barsoizüchter bei uns von einem russischen Barsoi verlangt, um ferner ihre Aufmerksamkeit auf die Mängel zu lenken, welche in Zukunft den eigenen Typus russischer Barsois verderben können.

In welch hoher Blüte die Züchtung bei Ihnen steht, habe ich mich überzeugen können, und war wahrhaftig gerührt, zu sehen, mit welch herzlicher Liebe man in Deutschland unseren Barsoi pflegt und für ihn sorgt.

Genau genommen, kann man bei jedem Tiere Fehler finden, doch will ich mich nicht in Details bei jedem einzelnen Hunde verlieren, sondern erlaube mir, nur meine Meinung über die ausgestellten Hunde und die Ansprüche, welche unsere Sachverständigen in Rußland an Barsois stellen, auszusprechen.

Ich muß offen gestehen, daß ich einige so vortreffliche, bei Ihnen gezüchtete Hunde vorfand, die meine Erwartungen .in hohem Maße übertroffen haben, denn sie waren hoch von Wuchs, besaßen prächtiges Fell, die Rasse war rein erhalten; ich finde aber die Hündinnen weniger gut als die Rüden.

Ihre Hunde sind übrigens bei dieser Größe sehr gut, was auch bei uns sehr geschätzt wird, doch nur, wenn auch der Bau schön ist. Man soll im Streben nach Größe vorsichtig sein, denn unsere Züchter haben die Erfahrung gemacht, daß die großen Hunde selten ein schönes Exterieur besitzen; die Hinterbeine sind öfter als die Vorderbeine schlecht, der Rücken unschön, der Brustkorb klein und der Kopf unförmig groß und schwer.

Der Kopf muß mager, regelmäßig, lang und an der Stirn nicht breit sein.

Das Auge soll groß, ausdrucksvoll und dunkel sein.

Den Ohren schenken wir besondere Aufmerksamkeit. Die Ohren sollen klein sein und hübsch sitzen, wie Nr. 1 und 1a, und sehr geschätzt werden sie bei uns, wenn sie im Affekt so wie beim Pferde "stehen", wie in Nr. 2, da sie dann den Hund als feurig und reizbar charakterisieren. Breitsitzende Ohren, wie Nr. 3, zeigen unreine Rasse und niedrig sitzende, wie Nr. 4, den trägen Charakter eines Hundes.

Die Rute schmückt nicht nur den Hund, sondern dient ihm beim Galoppieren als Steuer und ist regelrecht, wenn ihre Länge wie Nr. 5 und, wenn sie sichelförmig, wie Nr. 5 ist. Wenn der Hund stutzt, darf die Rute im Profil nicht geringelt sein, wie Nr. 6, beim Gehen nicht hängen, wie Nr. 7, da sonst auf Schlaffheit und Energielosigkeit des Hundes hinweist, von hinten gesehen, muß die Rute gerade sein und nicht zur Seite fallen, wie Nr. 8.

Da bei uns der Barsoi hauptsächlich als Jagdhund benutzt wird, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf regelmäßigen Bau der Füße, des Rückens und des Brustkorbes. Wenn wir den Kopf, die Augen und Ohren als schlecht kritisieren, so kann trotz dieses Fehlers der Hund wohl ein vorzüglicher Renner sein; dies beweist aber, daß die Rasse dann nicht rein ist, gemischtes Blut besitzt oder aus der Art geschlagen ist.

Die Vorderfüße müssen gerade und ohne Biegung sein, wie in Nr. 9; en face gesehen, sind sie regelmäßig stehend wie Nr. 10, unnormal wie Nr. 11 und ganz schlecht wie Nr. 12.

Die Schultern müssen wie Nr. 13 und nicht gerade sein, wie Nr. 13a.

Wichtiger als die Vorder-, sind die Hinterfüße, da sie beim Rennen die größte Kraft und Ausdauer entfalten müssen. Die Hinterfüße müssen sein wie Nr. 14; je näher sie der geraden Linie kommen, wie Nr. 15, je schlechter sind sie; von hinten gesehen, dürfen sie nicht wie Nr. 16 oder 16a sein.

Der Rücken ist normal, wenn er beim Widerrist wie in Nr. 17 beginnt; beim Rücken muß er wie Nr. 17 sein; schlecht und schwach ist er wie Nr. 18. Ein gerader Rücken, wie Nr. 19, zählt zu den schlechtesten bei Rüden, ist aber bei der Hündin zulässig.

Die Kruppe ist in der Neigung normal, je mehr sie sich Nr. 20 nähert; nähert sie sich Nr. 21, so ist sie desto schlechter.

Der Brustkorb ist in der mindesten Tiefe, wie Nr. 22, geschätzt, doch noch besser, wenn er die Tiefe wie Nr. 23 erreicht; ist er Nr. 24 ähnlich, so wird er zum ersten Fehler gezählt.

Das sind hier die Grundlagen, nach welchen der Körperbau des Barsoi kritisiert und bewertet wird.

Es ist selbstverständlich, daß es keinen tadellos gebauten Hund gibt, weil man an jedem etwas bemängeln kann, doch muß man diejenigen Fehler, welche die Mischung mit anderem Blute zeigen und welche er auf seine Nachkommen konnte, meiden. Diejenigen Fehler, welche infolge mißglückter Kreuzung entstanden sind, muß man mittels guter Wahl von Rüde zur Hündin und von Hündin zum Rüden beseitigen.

Die Füße werden durch Uebung des Hundes verbessert, durch Bewegung; alles andere durch Auswahl der passenden Rüden und Hündinnen. Es wird erzählt, daß der junge Hund die vordere Hälfte vom Vater und die hintere Hälfte von der Mutter erbt, aber dieses trifft absolut nicht immer zu. Im allgemeinen ist es wohl eine Laune der Natur, doch habe ich bemerkt, daß Vollblut sich am nachdrücklichsten vererbt.

Meiner Meinung ist: Wenn Sie Rasse und Form der Barsois erhalten wollen, so müssen Sie bessere Hündinnen haben. Für Ihre Rüden müssen Sie weniger große Hündinnen, doch mit schönerem Kopf und schönen Füßen und mit besserer Neigung der Kruppe, wie Nr. 20, haben. Dann werde ich mit Recht sagen können: Wenn bei uns in Rußland unsere national-russischen Barsois verschwinden sollten, so können wir sie bei Ihnen wiederfinden.

Kieff, 12. Februar 1914    General George de Meyer.